Hat der Nachtzug eine Zukunft? Diese Frage stand im Zentrum des umverkehR-Podiums von gestern Abend in Bern. Für die rund 60 Gäste, die der Diskussion folgten, wurde aus den Aussage von Armin Weber (Leiter Internationaler Personenverkehr der SBB) schnell klar, dass das Nachtzugangebot weder bei der SBB noch bei der DB strategische Priorität hat. Bei der SBB liegt der gegenwärtige Fokus im Fernverkehr auf Tagesverbindungen, die von Hochgeschwindigkeitszügen am Tag bedient werden können und in einem Radius von 4-6 Stunden liegen.
Sowohl Joachim Holstein (Betriebsrat DB ERS GmbH) wie auch Jürg Streuli (Bahnjournalist) plädierten dafür, Nachtzugverbindungen als integralen Bestandteil des Gesamtangebots von Bahnunternehmen zu betrachten und nicht nur einzelne Strecken in den Blick zu nehmen und betriebswirtschaftlich zu analysieren. Nachtzüge befriedigen einerseits eine spezifische Nachfrage, die weder von Tageszügen noch von Bussen oder vom Flugverkehr befriedigt werden können. Andererseits sind Nachtzüge auch Zulieferer für Tageszugverbindungen, die nicht in selbem Ausmass gebucht würden, wenn die Nachtzüge nicht mehr existierten. Die Nachfrage nach Nachtzügen ist gut, und dies obwohl kaum mehr in die Werbung oder die Kundenfreundlichkeit für dieses Angebot investiert wird.
Aline Trede (Co-Präsidentin umverkehR) hat in der Diskussion auf den fehlenden politischen Willen hingewiesen, Nachtzüge zu erhalten. Der Bundesrat hätte entgegen seinen eigenen Äusserungen die Möglichkeit, in den strategischen Zielen für die SBB ein Minimalangebot an Nachtzugverbindungen festzulegen. Die SBB könnte dieses Angebot in Kooperationen mit anderen Bahnunternehmen ohne weiteres bereitstellen. Doch bis anhin fehlt der politische Wille, nachhaltiges Reisen tatsächlich zu fördern und für gleich lange Spiesse zwischen den Verkehrsmitteln zu sorgen. Auch Armin Weber plädierte in seinem Schlussvotum für eine Gleichbehandlung der Verkehrsmittel und damit dafür, dass die steuerlichen Begünstigungen für den Flug- und Busverkehr aufgehoben werden. Nur dann wäre es für ein Bahnunternehmen wie der SBB möglich, ein breites Angebot an Verbindungen aufrechtzuerhalten.
Das Podium hat gezeigt, dass ein politischer und unternehmerischer Handlungsspielraum existiert, um die Nachtzüge auch in Zukunft zu erhalten. Gleichzeitig wurde mehrfach die Befürchtung geäussert, dass aufgrund des veralteten Rollmaterials die Gefahr besteht, dass plötzlich keine Nachtzüge mehr fahren werden, weil schlicht und einfach die Wagen fehlen.
Daher fordert umverkehR:
1. dass der Bundesrat ein mininales Nachtzugangebot in seine strategischen Ziele für die SBB aufnimmt.
2. dass sich die SBB bei anderen Bahnunternehmen (namentlich der DB) dafür einsetzt, dass das bestehende Nachtzugangebot aus der Schweiz erhalten und qualitativ verbessert wird.
3. dass sich die SBB finanziell bei der Anschaffung von neuem Rollmaterial beteiligt.
4. dass die SBB darauf hin arbeitet, dass eine europaweite Fahrplan- und Ticketplattform aufgebaut wird, die es Kunden ermöglicht, alle grenzüberschreitenden Zugverbindungen online und einfach einzusehen und Tickets für alle grenzüberschreitende Zugreisen online und am Schalter zu erwerben.
5. dass die SBB prüft, ob und unter welchen Bedingungen Nachtzugverbindungen eigenwirtschaftlich betrieben werden können.
Mehr Infos: Philippe Koch, Geschäftsleiter umverkehR, pkoch@umverkehr.ch, 078 663 35 46