Die Ereignisse in der Basler Verkehrspolitik überschlagen sich: Zwei rückständige Initiativen der Autolobby kommen in den nächsten Monaten an die Urne. Ausserdem präsentierte die Regierung die künftige Parkplatzpolitik sowie die Entwicklung des Verkehrsindexes. Die Unterlagen lassen keinen Zweifel, dass die Behörden nicht gewillt sind, den Volkswillen umzusetzen und den Autoverkehr bis 2020 gegenüber 2010 um 10 Prozent zu reduzieren. Dies ist seit der Annahme des Gegenvorschlags der Städte-Initiative von umverkehR im Jahr 2010 im Gesetz festgehalten.
Der Autoverkehr hat in Basel gegenüber 2010 um 5 Prozent abgenommen. Zynisch spricht die Basler Regierung von einer «erfreulichen Wirkung der Verkehrspolitik». Dabei nähert sich das Jahr 2020, bis zu dem das aufgrund der Städte-Initiative von umverkehR gesetzlich verankerte 10-Prozent- Reduktionsziel erreicht werden soll, mit grossen Schritten, und eine griffige Verkehrspolitik bleibt ausser Sichtweite. Im Gegenteil: Wer die Unterlagen zur künftigen Parkplatzpolitik genauer anschaut, reibt sich die Augen. Anstatt Privatfahrzeuge konsequent auf privaten Grund zu verlegen, soll die Anwohnerparkkarte mit künftig 284 Franken pro Jahr im Vergleich mit anderen Städten im unteren Preissegment bleiben. In Winterthur (Fr. 710.-/ Jahr) oder Luzern (Fr. 600.-/Jahr) kostet die Parkkarte deutlich mehr. Gleichzeitig sollen Parkplätze in Quartierparkhäusern subventioniert werden, ohne angemessene Kompensation im öffentlichen Raum. Dadurch wird die Anzahl Parkplätze erhöht, und die Kosten bleiben tief. Das ist verheerend für alle redlichen Bemühungen zur Reduktion des Autoverkehrs.
Vorauseilender Gehorsam
Nachdem die Regierung bereits im August vergangenen Jahres einer rückständigen Initiative der Autolobby inhaltlich teilweise zugestimmt und den gesetzlichen Auftrag der 10-Prozent-Reduktion als «politisch nicht durchsetzbar und daher unrealistisch » bezeichnet hat, setzt sie die Forderungen nach mehr Autoparkplätzen der anderen Initiative des gleichen autofreundlichen Absenders in vorauseilendem Gehorsam um. Durch die Hintertür soll die Parkplatzzahl erhöht werden. Die Folgen der beiden hängigen Initiativen aus Autokreisen sind absehbar: Basel droht in der Autoflut zu versinken und im Stau zu ersticken. Dagegen müssen wir uns entschieden wehren! Dabei sollten die Verhältnisse in Basel klar sein. Nur rund ein Drittel der Bevölkerung besitzt ein eigenes Auto. Der Motorisierungsgrad ist so tief wie in keiner anderen Schweizer Stadt. Gleichzeitig ist mit 17 Prozent Anteil am Modalsplit der Veloanteil im Vergleich mit den sechs grössten Deutschschweizer Städten am höchsten. Ausserdem leben über die Hälfte der Basler Haushalte ohne eigenes Auto. Es ist unverständlich, dass die Regierung bei dieser komfortablen Ausgangslage bisher keine mehrheitsfähigen Massnahmen zur Reduktion des Autoverkehrs vorlegen konnte. Was ist bloss los in der Basler Verkehrspolitik?
Worauf wartet die Basler Regierung?
Es ist höchste Eisenbahn, wenn die Ziele der Städte-Initiative bis 2020 erreicht werden sollen. Mit zwei kurzfristig umsetzbaren Massnahmen kann die Regierung die Verkehrspolitik auf Kurs bringen. Erstens braucht es endlich eine Verkehrsdosierung rund um das Stadtgebiet, wie dies Zürich bereits seit den Achtzigerjahren kennt. Und zweitens ist eine massive Verteuerung der Anwohnerparkkarte erforderlich, und öffentliche Parkplätze müssen kompensiert werden, wo private entstehen.
Biel und San Francisco als Vorbild
Ein Lichtblick sind zwei kürzlich durch den Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt angenommene Vorstösse. Diese beauftragen die Regierung zu prüfen, ob das «Bieler Modell» und das «Modell San Francisco » auch in Basel umgesetzt werden können. In Biel werden Anwohnerparkkarten subsidiär vergeben. Das heisst, Anwohnerparkkarten werden primär an Stadtbewohnende ohne Zugang zu eigenen Abstellplätzen vergeben. So wird sichergestellt, dass zuerst das vorhandene Parkplatzangebot auf privatem Grund genutzt wird und erst anschliessend dasjenige auf öffentlichem Grund. Laut Auskunft der zuständigen Behörden in Biel hat sich das System eingespielt und im Grossen und Ganzen bewährt. Dieses System würde auch in anderen Städten das Problem nicht besetzter Einstell- und Abstellplätze lösen. Somit wird auch ein Beitrag zum haushälterischen Umgang mit der knappen Ressource Raum geleistet. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass die Planungsbehörde so ein genaues Bild über die Anzahl und Auslastung der Parkplätze auf privatem Grund erhielte – eine wichtige, heute jedoch fehlende Planungsgrundlage.
Intelligente Parkplätze
Futuristischer mutet das System aus San Francisco an. Die Stadt hat «intelligente» Parkplätze. Diese informieren über die jeweilige Auslastung, wodurch sich der Parktarif verändert. Ist in einem Strassenabschnitt die Auslastung tief, sinkt der Preis; ist die Auslastung hoch, steigt der Preis. Dieser Preismechanismus lässt sich so einstellen, dass eine maximale Auslastung (zum Beispiel 85%) nicht überschritten wird. So ist zu jeder Zeit und überall sichergestellt, dass Autofahrerinnen und Autofahrer direkt einen Parkplatz finden, was den Parkplatzsuchverkehr deutlich reduziert. In San Francisco hat sich gezeigt, dass bereits kleine Differenzen im Cent-Bereich ausreichen, damit sich die parkierten Autos effizient verteilen, sodass in jedem Strassenabschnitt alle einen Parkplatz finden. Für eine erfolgreiche Einführung in der Schweiz besteht aber noch Klärungsbedarf bezüglich Preisgestaltung und Sozialverträglichkeit.
Parkplatzpolitik — Schlüssel zum Erfolg
Die intelligentesten Parkplätze sind die, die gar nicht im öffentlichen Raum zur Verfügung stehen. Die Basler Regierung ist gut beraten, in der Parkplatzpolitik vorwärtszumachen, weil durch eine Parkplatzreduktion der Autoverkehr deutlich abnimmt. Für die Zielerreichung der gesetzlich vorgeschriebenen 10-Prozent-Autoverkehrsreduktion bis 2020 ist der Abbau von Parkplätzen deshalb ein vielversprechendes Erfolgsrezept.