Mit dem Killerargument «Sicherheit» machen die Befürworter mobil für eine zweite Gotthardstrassenröhre. Wenn es aber um die Sicherheit in zweispurigen Tunnels so schlecht bestellt ist, stellt sich die Frage, warum es so viele Strassentunnels gibt, die dennoch im Gegenverkehr befahrbar sind?
Nicht nur der Gotthard, auch die andern Strassentunnels durch Alpen, so der Grosse St. Bernhard oder der San Bernardino sind lediglich zweispurig. Nicht nur das: Weitere Routen durch die Alpen wurden mit zweispurigen, im Gegenverkehr befahrenen Tunnels ausgebaut, so die A6 von der Innerschweiz ins Berner Oberland oder die Hauptstrasse ins Prättigau. Zweite Röhren aus Sicherheitsgründen wurden hier nie ins Auge gefasst.
Selbst wenn die zweite Gotthardstrassenröhre gebaut wird, ist die Nord-Süd-Route nicht sicherer. Wer nämlich auf dem Weg mit dem Auto von Zürich ins Tessin will, wird künftig die beiden geplanten, über sieben Kilometer langen, zweispurigen Tunnels durchfahren müssen, die die Axenstrasse ersetzen sollen. Auch hier: zum Thema Sicherheit kein Wort.
Strassentunnels mit mehr als zwei Kilometern Länge weisen in der Schweiz eine Gesamtlänge von mehr als 200 km auf (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Schweizer_Tunnel). Rund zwei Drittel dieser Strecken werden nicht richtungsgetrennt geführt. Der Zubringer Appenzellerland, die Umfahrungen Näfels und Netstal, die Umfahrung Laufen BL oder der Hirzeltunnel sind projektierte Teilstücke der Netzergänzung Nationalstrassennetz, die alle einen zweispurigen Tunnel als Herzstück aufweisen. Die Liste ist damit lange nicht vollständig. Gerade der Richtplan des Kantons Zürich sieht viele weitere solche Projekte vor (z.B. Adlisbergtunnel, Wehrenbachtobeltunnel, Taggenbergtunnel. Dettenbergtunnel, Umfahrung Pfungen etc.).
Weniger Lastwagen oder geringeres Verkehrsaufkommen kann dabei kein Grund sein, dass eine zweite Röhre aus Sicherheitsgründen kein Thema ist. Auf vielen der betroffenen Strassen ist mit einem mindestens so hohen Verkehrsaufkommen zu rechnen wie am Gotthard und in Eglisau ZH soll ein Umfahrungstunnel explizit den intensiven Kiestransport durch das Städtchen aufnehmen.
Es ist auffallend, dass teilweise dieselben Kreise, die jetzt aus Sicherheitsgründen eine zweite Gotthardstrassenröhre fordern, sich sonst vehement gegen mehr Sicherheit wehrten, etwa bei der Senkung der Promillegrenzen oder den Tempolimiten. Sicherheit ist also ein scheinheiliges Argument, das nur am Gotthard ein Thema ist. Es geht den Befürwortern in erster Linie nicht um die Sicherheit, sondern vielmehr um eine möglichst staufreie Fahrt von Nord nach Süd. Dies bleibt allerdings auch mit vier befahrbaren Spuren ein Wunschdenken, denn Engpässe auf der Nord-Süd-Route wird es immer geben, wenn nicht im Gotthardtunnel, so auf den Zufahrten durch die Agglomerationen in Basel, Zürich, Luzern oder im Tessin.
Eine zweite Strassenröhre am Gotthard macht aber die Transitroute attraktiver, sie hebelt über kurz oder lang den Alpenschutzartikel auf und kostet erst noch eine Milliarde mehr als ein vorübergehender Bahnverlad während der Sanierung des Gotthardstrassentunnels. Gleichzeitig steht mit der neuen NEAT eine attraktive und umweltfreundliche Alternative zur Verfügung. Alles eindeutige Gründe für ein Nein zu einer zweiten Gotthardstrassenröhre.